Muntermacher

Sie sind müde? Dann halten Sie ein Mittagsschläfchen. Vertrauen Sie darauf: Sie sind nicht der einzige. In New York zahlen die Menschen sogar dafür.

VON ALRUN STEINRUECK / Die Presse, Schaufenster Nr. 25/26, 1. 7. 2005

Wir kennen ihn alle: den Tiefpunkt am Nachmittag, wenn die Augen immer kleiner werden, die Glieder sich nach Ruhe sehnen und die Konzentration gewaltig nachlässt. Gewöhnlich tritt diese Müdigkeit zwölf Stunden nach der Hälfte unseres nächtlichen Schlafs ein, wie Wissenschaftler ermittelten. Wer um 23 Uhr ins Bett geht und bis 7 Uhr schläft, hat gegen 14 Uhr sein Tief. Ideal ist dann ein Kurzschlaf, um die Leistungsfähigkeit wieder zu steigern, doch bei der Arbeit lässt sich so ein Nickerchen kaum einrichten. In New York wird viel und lange gearbeitet. Als Arshad Chowdhury noch an der Wall Street bei einer Investment Bank angestellt war, sah er übermüdete Männer auf der Toilette eindösen. Das brachte ihn auf die Idee, ein Geschäft mit dem Mittagsschlaf zu machen. Mit seinem Kompagnon Christopher Lindholst eröffntete er mitten in Manhattan die Firma MetroNaps, wo Berufstätige jetzt ihre Arbeitskraftspeicher neu auftanken können.

Power Nap
Im 24. Stock des Empire State Buildings stehen neun elegante Liegen in eierfarbenen Halbschalen, in denen man für 14 Dollar 20 Minuten lang schlummern darf. Der Ort ist gut gewählt, denn zum einen muss man das Empire State Building nicht lange suchen, und zum anderen beherbergt es selbst 9000 Berufstätige, die hier fleißig ihrem Tagewerk nachgehen. Viele Kunden fahren einfach mit dem Fahrstuhl vor und nicken unter einer Wolldecke zu leisem Wellenrauschen ein, bevor sie in ihre Anwaltskanzleien und Businessmeetings zurückkehren.

Die Form der Liege wurde in Tests für Astronauten und Piloten entwickelt. Knie und Füße sind leicht erhöht, denn das entlastet das Herz und den Rücken - ein wichtiges Detail für die vielen Schreibtischtäter im geschäftigen Midtown Manhattan. Eine Halbschale, die wie eine überdimensionale Billardkugel aussieht, schützt vor Außengeräuschen und vermittelt ein Gefühl von Ungestörtheit. Über Kopfhörer kann man sich mit esoterischen Klängen oder selbst mitgebrachter Musik einlullen. Damit der Anzug nicht knittrig wird und die Blusen irisch bleiben, erholen sich die Ermatteten nicht flach liegend, sondern in leicht sitzender Haltung. Das verhindert außerdem ein zu tiefes Einschlafen. Nach 20 Minuten wird das dämmrige Licht im Kokon automatisch heller und ein leichtes Vibrieren weckt die Lebensgeister des Schläfer.

Ständig übermüdet
„Manche Chefs haben schon ihre müden Angestellten zu uns runtergeschickt", erzählt Christopher Lindholst. Nachdem wissenschaftliche Studien der NASA, von Harvard und der National Sieep Foundation gezeigt haben, dass Mittagsruhe die Produktivität von Angestellten erhöht, sind auch Vorgesetzte angetan. Manche Kunden unterlassen es allerdings tunlichst, ihrem Boss zu erzählen, wohin sie gehen. Auch John Mooney, ein Vertreter, der oft abends noch mit seinen Kunden essen geht und lange Arbeitstage hat, befürchtet, sein Image würde darunter leiden, wenn er seine nachmittägliche Schlappheit zugäbe. Seinem Boss erzählt der 39-J ährige deshalb nichts von den Ausflügen, aber Freunden und Kollegen empfiehlt er die Mittagsruhe bei MetroNaps begeistert weiter.
Die meisten Amerikaner sind chronisch unausgeschlafen. Eine im März veröffentlichte Studie der National Sleep Foundation hat nachgewiesen, dass US-Bürger durchschnittlich 6,9 Stunden pro Nacht schlafen, empfohlen werden aber acht Stunden. 62 Prozent der Befragten sind nachmittags oft müde. Auch die Österreicher schlafen pro Nacht nicht länger als rund sieben Stunden, Tendenz sinkend. Vor allem die unter 35-Jährigen, aber auch die über 55-Jährigen kommen laut einer weltweiten Studie aus dem Jahr 2004 mit deutlich weniger Schlaf aus als fünf Jahre zuvor.

Touristenattraktion
Ein weltweites Phänomen, so scheint es. Nicht nur New Yorker, auch Geschäftsleute auf Reisen und Touristen aus Kuwait, Australien oder Griechenland, stolpern übernächtigt in die Niederlassung, um sich eine Mütze Schlaf zu gönnen. Der Jetlag treibt manch müden Menschen in diese fensterlosen Büroräume. Am frühen Nachmittag ist MetroNaps gewöhnlich am besten besucht. Die Kunden befinden sich übrigens in guter Gesellschaft: Auch Churchill, Napoleon und Einstein waren Fans der Siesta.
Universitäten, Werbeagenturen und Infernetfirmen haben bereits ihr Interesse an den Schalenliegen angemeldet. Firmen können die sogenannten Pods für knapp 8000 Dollar (6200 Euro) kaufen. Damit die nächsten Einsteins und Churchills auch spätnachmittags noch geniale Einfälle kriegen. Nach dem erfrischenden Kurzschlaf warten Feuchtigkeitstüchlein, Pfefferminzdrops und ein nach Zirtone duftender Gesichtsspray auf die ausgeruhten Power-Napper. Man staunt, was 20 Minuten Schlaf ausmachen können. Vielleicht sollte der New York Slogan „The City that never sleeps" ja in -„The city that sometimes naps" umgedichtet werden.

METRONAPS, EMPIRE STATE BUILDING, 350
FIFTH AVE, SUITE 2410.
GEÖFFNET MONTAGS BIS FREITAGS 10-18 UHR,
TEL; 212.239.3344,
WWW.METRONAPS.COM